Sign in
Choose languageLanguage
Blog

Die Arbeitszeit

Die Arbeitszeit
 
9 Minuten Lesezeit
Datum
26.06.2023

die Autoren: Nela Softic-Rehm / Rechtsanwältin 

Am 13.09.2022 hat das höchste deutsche Arbeitsgericht – das Bundesarbeitsgericht - in einem Beschluss entschieden, dass Unternehmen zur Erfassung der

Arbeitszeiten der Mitarbeiter: innen verpflichtet sind. Dabei bezieht sich das Bundesarbeitsgericht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019, welches die Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie betraf. Damit die Richtlinie ihre volle Wirksamkeit entfalten kann, gehört nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den erforderlichen Maßnahmen auch die Verpflichtung der Arbeitgeber, zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EuGH 14. Mai 2019 - C-55/18 - [CCOO] Rn. 38 ff., 60 ff.).

Inzwischen liegen auch die Urteilsgründe des Bundesarbeitsgerichts vor:

„Das geforderte System darf sich - trotz des vom Gerichtshof verwendeten Begriffs der „Messung“ - dabei nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. Diese Daten müssen vielmehr auch erfasst und damit aufgezeichnet. Anderenfalls wären weder die Lage der täglichen Arbeitszeit noch die Einhaltung der täglichen und der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des Bezugszeitraums überprüfbar. (….) Die Pflicht zur Einführung beschränkt sich zudem nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung stellt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss er hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen und es damit verwenden.“ 

Arbeitgeber sind zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet.

Die Pflicht zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung beschränkt sich nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter:innen ein solches System zur freien Nutzung zur Verfügung stellt. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass das System tatsächlich genutzt wird.

Das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz regelt nur, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitszeit aufzuzeichnen, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgeht.

Der EuGH und das Bundesarbeitsgericht gehen daher deutlich weiter, in dem sie eine Verpflichtung für den Arbeitgeber formulieren, die sich auf die Arbeitszeit insgesamt bezieht.

Der deutsche Gesetzgeber ist gehalten, entsprechend der Vorgabe des EuGH das Arbeitszeitgesetz zu reformieren. Dies ist noch nicht geschehen. Wie genau diese Arbeitszeiterfassung in Deutschland gesetzlich aussehen soll, ist noch nicht geklärt. Hier gibt es auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts noch Spielraum, etwa bei der Frage welche Betriebe zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind oder, ob beispielsweise leitende Angestellte hiervon erfasst werden.

Das Gesetzesvorhaben stockt derzeit und so ist noch nicht absehbar, wann der deutsche Gesetzgeber mit neuen und klaren Regelungen zur Art und Weise der Arbeitszeiterfassung aufwarten wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies 2023 geschehen wird. 

 

Was aber ist eigentlich Arbeitszeit?

Arbeitszeit im Sinne des deutschen Arbeitszeitgesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Die im derzeitigen Arbeitszeitgesetz definierte Arbeitszeit dürfte aber den Realitäten anderer und moderner Arbeitswelten kaum noch Genüge tragen.  

Zu betrachten ist hierbei zum Beispiel die „Arbeitsbereitschaft“ oder „Rufbereitschaft“ oder der sog.“Bereitschaftsdienst“.

Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft sind weder Arbeits- noch Ruhezeit und sind damit ein Bereithalten zur Arbeit.

Arbeitsbereitschaft ist die Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer nicht seine volle, angespannte Tätigkeit entfalten braucht, sondern an seiner Arbeitsstelle anwesend ist und jederzeit bereit sein muss, in den Arbeitsprozess einzugreifen.

Nach der Rechtsprechung leistet Rufbereitschaft, wer verpflichtet ist, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit auf Abruf die Arbeit alsbald aufzunehmen; wobei der Arbeitnehmer den Aufenthaltsort selbst bestimmen darf.

Der Bereitschaftsdienst zählt nach der Entscheidung des EuGH vom 9.9.2003 (C-151/02) zur Arbeitszeit im Sinn der Arbeitsschutzbestimmungen.

Die Abgrenzung zwischen Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft wirft immer wieder deutsche und europarechtliche Fragen des Arbeitszeitrechts auf, die der deutsche Gesetzgeber bei seiner Umsetzungspflicht hoffentlich mit regeln wird.

Völlig unklar ist derzeit auch, wie moderne Arbeitswelten zukünftig den Arbeitszeitbegriff definieren werden. Eine Notwendigkeit besteht allemal.

Was zum Beispiel ist eigentlich Arbeitszeit im Rahmen von Mobile-Working-Modellen? Diese Fragen lassen sich momentan nicht abschließend klären. Es lohnt aber auch ein Blick darauf, inwiefern typische Arbeitsplatzsituationen mit der Frage von Arbeitszeit verflochten sind, z.B. Urlaub.

 

I.   Urlaub

Nach dem Bundesurlaubsgesetz haben Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.  Dieser beträgt gesetzlich 20 Tage bei einer 5-Tage-Arbeitswoche und 24 Tage bei einer 6-Tage-Arbeitswoche. Viele Arbeitgeber geben über diesen gesetzlichen Urlaub aber noch vertraglichen Zusatzurlab. Der Urlaubsanspruch wird durch die Leistungserbringung erworben. Er ist der typisierte Fall von bezahlter Abwesenheit von der Arbeit und damit nicht Arbeitszeit.

Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Spätestens hier wird klar, warum auch der Urlaub in Relation zu den Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu betrachten ist.

Nach Vorgaben der EU ist die Überstundenvergütung aufgrund ihres Ausnahmecharakters und ihrer Unvorhersehbarkeit grundsätzlich nicht Teil des gewöhnlichen Gehaltes und wird bei der Berechnung der Vergütung im Urlaub nicht berücksichtigt. Anders kann dies aber wieder sein, wenn der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet ist, Überstunden zu leisten, diese vorhersehbar und gewöhnlich sind und deren Vergütung einen wesentlichen Teil des gesamten Arbeitsentgelts ausmacht. Dann muss die Vergütung für diese Überstunden in das Urlaubsentgelt einbezogen werden. Dies gilt damit auch dann, wenn die Überstunden so regelmäßig anfallen, dass man schon von regelmäßiger Arbeitszeit sprechen kann. Auch hier ist es daher ratsam die Arbeitszeit zu erfassen, denn nur dann erkennt man auch Überstunden.

 

II.   Die Erkrankung

Nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt, wenn ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, dass er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber für diese Dauer den durchschnittlich erzielten Lohn in der Ausfallzeit weiter bezahlen muss. Im Einzelfall kann die Verpflichtung zur Zahlung auch über einen 6-Wochen-Zeitraum hinausgehen und der Arbeitgeber kann im Einzelfall sogar verpflichtet sein, mehr als einmal für die Dauer von 6 Wochen das Gehalt zu bezahlen. Auch die Erkrankung zählt nicht zur Arbeitszeit.

 

III. Gesetzliche und religiöse Feiertage

Nach dem deutschen Feiertagsgesetz sind bezahlte gesetzliche Feiertage folgende:

  • Neujahr,
  • Erscheinungsfest (6. Januar),
  • Karfreitag,
  • Ostermontag,
  • 1. Mai,
  • Christi Himmelfahrt,
  • Pfingstmontag,
  • Fronleichnam,
  • Allerheiligen (1. November),
  • Erster Weihnachtstag,
  • Zweiter Weihnachtstag.

Nur die gesetzlichen Feiertage sind Festtage und Feiertage im Sinne bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften. 

Kirchliche Feiertage sind Folgende:

  • Gründonnerstag,
  • Reformationsfest (31. Oktober),
  • Allgemeiner Buß- und Bettag (Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres). 

Am Allgemeinen Buß- und Bettag steht den bekenntniszugehörigen Mitarbeiter: innen und Auszubildenden das Recht zu, von der Arbeit fernzubleiben, soweit nicht betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. Weitere Nachteile als ein etwaiger Entgeltausfall für versäumte Arbeitszeit dürfen diesen aus ihrem Fernbleiben nicht erwachsen.

An den übrigen in genannten kirchlichen Feiertagen haben die in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis stehenden Angehörigen der Kirchen und anerkannten Religionsgemeinschaften das Recht, zum Besuch des Gottesdienstes ihres Bekenntnisses von der Arbeit fernzubleiben, soweit nicht betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen.

 

IV. Überstunden

Gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz darf ein Arbeitnehmer täglich 8 Stunden (ohne Berücksichtigung der Pausen) arbeiten. Zur Ableistung von Überstunden sind Mitarbeiter: innen erst einmal nicht verpflichtet, es sei denn, es ist vertraglich etwas anderes vereinbart.

Gerade und auch wegen der Überstunden und zum Schutze der Mitarbeiter: innen hat der EuGH in seiner 2019 getroffenen Entscheidung die Erfassungspflicht der Arbeitgeber zementiert. Schließlich sollen die Gesetze und Richtlinien Mitarbeiter vor einer dauerhaften Arbeitsüberforderung schützen; sie dienen dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter: innen. Überstunden sind sodann je nach vertraglicher Abrede zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern entweder auszuzahlen oder als Freizeitausgleich zu gewähren.


VI. Sabbatical

In modernen Arbeitswelten kommt es immer häufiger vor, dass Mitarbeiter: innen den Wunsch nach Auszeiten äußern.

Sabbatical-Vereinbarungen werden meistens vertraglich geregelt. Es empfiehlt sich das Sabbatical schriftlich zu vereinbaren und die notwendigen Inhalte zu definieren, um Missverständnisse und falsche Erwartungshaltungen zu vermeiden.

Für ein Sabbatical kommen unterschiedliche Modelle in Betracht.

Im sogenannten Ansparmodell wird eine vertragliche (für einen bestimmten Zeitraum) Reduzierung der Arbeitszeit verstanden, die eine Vollzeit- in eine Teilzeitstelle umwandelt. Trotz der an die Teilzeitstelle angepassten geringeren Vergütung arbeitet der Arbeitnehmer jedoch in Vollzeit weiter und spart auf einem Arbeitszeitkonto die Mehrarbeit als Plusstunden an.

Im Sabbatical-Zeitraum wird dieses Zeitguthaben dann eingebracht. Dabei bezahlt der Arbeitgeber in der Freistellungsphase das monatliche Gehalt in Höhe der Teilzeitvergütung weiter.

Ein weiteres Modell ist der zeitlich begrenzte Lohnverzicht

Hier verzichtet der Arbeitnehmer über mehrere Jahre auf Teile seiner Vergütung. Er spart sich hier ein Gehaltsguthaben an, das seiner Freistellungsdauer entspricht und mit dem er während des Sabbaticals als Arbeitslohn bezahlt wird.

 

Fazit:

Es zeigt sich unter allen oben dargestellten (nicht abschließend) aufgezählten Begebenheiten im Arbeitsverhältnis, dass eine flexible und transparente Handhabe sowohl für Arbeitgeber als auch für Mitarbeiter: innen nur mit einer Dokumentation der Arbeitszeiten wirklich möglich ist.